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Wie sind „Referenz- oder Zielbereiche“ zu verstehen?

Bei jeder Testung muss ein sogenannter Referenzbereich angegeben sein. Der Referenzbereich wird auch als Normwert oder Zielbereich bezeichnet. Man stellt sich dabei den wünschenswerten Zielbereich von gesunden, leistungsfähigen Personen vor. Dem ist aber nicht so. Der Referenzbereich ist klar definiert: Die Messwerte der mittleren 60 – 70 %-Spanne einer Durchschnittsbevölkerung. Bei manchen Studien geht man sogar von einer 95 %-Auswahl aus. Um zu zeigen wie so etwas errechnet wird, stelle man sich 100 Testpersonen vor, die eine Probe ins Labor schicken. Man misst alle Proben und entfernt die 15 – 20 höchsten und 15 – 20 niedrigsten Messwerte. Die restlichen Messwerte ergeben den Zielbereich. Es wird jedoch nicht abgefragt, wie gesund diese Personen sind, welche Symptome sie haben oder Medikamente sie nehmen und wie ihre derzeitige Lebensphase aussieht. Das erklärt, warum die Zielbereiche manchmal eine so große Spanne haben. Bevor wir eine Empfehlung für einen Referenzbereich, bezogen auf den TSH-Wert, aussprechen, ist es zunächst wichtig zu verstehen wie dieser Wert ermittelt wird und was er eigentlich aussagt.

Wie hat sich der TSH-Normwert entwickelt?

Nach dem zuvor beschriebenen Vorgehen wurde ursprünglich der TSH-Referenzbereich auf eine Spanne von 0,27 – 4,20 mIU/l festgelegt. An dieser Angabe wurde lange dogmatisch festgehalten. Dies führte dazu, dass Patienten, deren Werte innerhalb dieser Referenzspanne lagen, als „gesund“ galten – selbst dann,  wenn ihre Symptome ganz offensichtlich auf eine Schilddrüsenstörung hindeuteten. Im Laufe der Jahre zweifelten viele medizinische Fachkräfte an den Referenzspannen. Die Zweifel wurden in vielen Studien belegt und führten zu neuen Empfehlungen. Dies führte dazu, dass heute unterschiedliche Referenzbereiche veröffentlicht und gelehrt werden. Einen weltweit einheitlichen Referenzwert gibt es  bis heute noch nicht.  In den letzten Jahren wird im Deutschen Ärzteverband heftig diskutiert, ob nicht 0,5 – 2,5 mIU/l ein realistischerer Zielbereich wäre.

Bei Menschen ohne bekannte Schilddrüsenerkrankung (AIT) liegt der mittlere TSH-Wert bei 1.40 – 1.54 mIU/L (bei Frauen tendenziell etwas höher als bei Männern). Leichte Abweichungen darüber oder darunter zeigen sich bei einzelnen ethnischen Volksgruppen.

Wie sehen aktuelle Empfehlungen für den TSH-Normwert aus?

In diversen Büchern über die Schilddrüse wurden verschiedene TSH-Referenzbereiche empfohlen.

Dr. Michael Platt empfiehlt in seinem Buch `Die Hormonrevolution` einen TSH-Spiegel von 0,3 – 1,0 mIU/l. Er schreibt: „Ein TSH-Spiegel, der höher als 1,0 ist, besagt bereits, dass die Hirnanhangdrüse Ihrer Schilddrüse das Signal gibt, mehr Schilddrüsenhormone zu produzieren.“

Dr. Datis Kharrazian empfiehlt einen Referenzbereich von etwa 1,8 – 3,0 mIU/l. In seinem Buch `Schilddrüsenunterfunktion und Hashimoto anders behandeln` schreibt er „Ich möchte meine Patienten sicher nicht blind nach Krankheitsparametern behandeln, daher arbeite ich mit den sogenannten Funktionswerten aus dem Blutbild. […] Ein Standard-Laborwert für TSH liegt (je nach Labor und Land) bei etwa 0,35 – 5,5 mIU/l, doch der Funktionsbereich ist viel enger gefasst und beträgt etwa 1,8 – 3,0 mIU/l. […]. Ich definiere Gesundheit jedoch nicht als Abwesenheit pathologischer Krankheitswerte, sondern als Vorhandensein von ausreichend Energie, einer gesunden Verdauung, idealer physiologischer Funktionen und von allgemeinen Wohlbefinden.“

Für unsere Arbeit wurden die Erfahrungen und Ausführungen von Mary Shomon (weltbekannte Selbsthilfe-Initiative in den USA) wegweisend. Sie schreibt in Ihrem Buch „Die gesunde Schilddrüse“ (Seite 124 ff): „Es gibt vereinzelte Belege, dass „normal“ für die meisten NICHT-Schilddrüsenkranken tatsächlich unterhalb einer TSH-Konzentration von 2 mIU/l liegt.“ Sie greift dabei auf Veröffentlichungen von Prof. A. P. Weetmann (Universität Sheffield) zurück. Weiter schreibt sie, dass „… die meisten weiblichen Schilddrüsenpatienten sich im TSH-Bereich zwischen 1 und 2 mIU/l am wohlsten fühlen, und dass es oberhalb dieses Wertes schwieriger wird, schwanger zu werden, Fehlgeburten zu verhindern, abzunehmen, sowie andere Symptome zu beseitigen.“

Interessant ist folgende Web-Umfrage gewesen: Wer hatte bei der Diagnose Hashimoto einen TSH unter 2,5 mIU/l? (Achtung: Es handelt sich hier um SD-Patienten, nicht um gesunde Menschen!)

Ergebnis der Umfrage:

  • Über 45,75 % der Hashimoto-Patienten hatten einen TSH-Wert unter 2,5 mIU/l.
  • 28,22 % hatten einen TSH-Wert zwischen 2,5 und 4,5 mIU/l.

Unsere Empfehlung:

Viele Betroffene schicken uns ihre Testberichte für eine zweite Einschätzung. Auffallend ist, dass sowohl innerhalb als auch außerhalb vom jeweils angegebenen Zielbereich Patienten von heftigen Schilddrüsensymptomen berichten. Daher warnen wir davor, jegliche Messwerte zu „dogmatisieren“ und zu „zementieren“. Das gilt in besonderer Weise für den TSH-Wert.

  1. Wir orientieren uns in unseren Empfehlungen in erster Linie an dem Zielbereich, den Mary Shomon in Ihrem Buch propagiert hat: 1,0 – 2,0 mlU/l – wohl wissend, dass manche Menschen sich in einem Bereich etwas darüber oder darunter durchaus gut fühlen können. Oft beginnen aber auffällige Symptome bereits bei 1,0 mlU/l (und niedriger) oder 2,0 mlU/l (und höher). Aber wir sehen auch Patienten, die trotz Messwerten im optimalen Bereich nicht symptomfrei sind.
  2. Wir empfehlen darauf zu achten, dass die Messwerte in sich logisch und nicht widersprüchlich sind. Stellen Sie sich die Frage: Passen Symptomatik und Messwerte zusammen – oder nicht? Deswegen hat die Beobachtung von Symptomen und das Aufschreiben von ihrer Heftigkeit, Dauer und Tageszeit/Zykluszeit eine herausragende Bedeutung für unsere Einschätzung.
  3. Für die Diagnostik von Schilddrüsenstörungen empfehlen wir immer mehrere diagnostische Maßnahmen. Beobachtung, Temperaturmessung, Sonografie (Ultraschall) und mindestens fT3, fT4 und TSH über die Blutmessung. In keinem Fall sollte die Schilddrüsen-Diagnose allein auf einer TSH-Testung basieren.
  4. Bei sehr heftigen Schwankungen von Unter- zu Überfunktion sollten auch die Antikörper-Werte abgefragt werden.
  5. Spezielle Medikamente erfordern oft eine mehrmalige Messung und sensible Anpassung der Schilddrüsenregulation. Das gilt in besonderer Weise, wenn im Bereich der Steroide (Geschlechtshormone) etwas geändert wurde (Kinderwunsch, Verhütung, Hormonersatztherapie, Kortison-Behandlung usw.) oder Psychopharmaka eingenommen werden.
  6. Für die Schilddrüsenregulation gibt es sehr verschiedene Vorgehensweisen, die im Einzelfall nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden. Je behutsamer und naturgemäßer man den Ausgleich gestaltet, umso besser fühlen sich die Patienten. Dazu gehört auch die Therapie mit Jod (nicht Jodid), die in manchen Fällen eine sinnvolle Ergänzung sein kann.
  7. Wer unter der bisherigen Substitution eindeutige Schilddrüsensymptome beobachtet, der muss sich keineswegs damit abfinden. Oft beobachten wir eine Verquickung mehrerer Hormonbereiche, die eine Ursache für eine schwer einzustellende Schilddrüsenversorgung sein kann. Daher spielt die Beobachtung von Schilddrüsensymptomen eine so große Rolle.

Studien zum TSH-Normbereich

1.) Third National Health Nutrition and Examination Survey (NHANES III) – USA
Ihre Studie ermittelte von 13.344 Frauen und Männern die durchschnittliche TSH-Konzentration im Blutserum von 1,39 mIU/ml. Bei 95% der Teilnehmer fand man untere und obere Referenzgrenzen zwischen 0,45 mIU/ml und 4,12 mIU/l. Das schien der ursprünglichen Referenzspanne zu entsprechen.

Es handelt sich hier wohlgemerkt um keine ausgewählte Personengruppe von gesunden Menschen, sondern spiegelt die Messwerte von der (mehr oder weniger kranken) Gesamtbevölkerung.

2.) Deutsche „Study of Health in Pomerania“ (SHIP-1)
Teilnehmer waren 1.488 Frauen und Männer: durchschnittliche TSH-Konzentration im Bereich von 0,25 – 2,12 mU/l.

3.) Die National Academy of Clinical Biochemistry hat, um zukünftig sinnvollere Referenzbereiche von Schilddrüsenwerten zu etablieren, die (NACB / USA) mit ihrer „Guideline 22“ beachtenswerte Vorschläge gemacht. Sie sind das Ergebnis einer umfangreichen Messreihe.

Die Institution wählte von insgesamt 870 Freiwilligen nur 453 Personen aus und lies diese für die Reihenuntersuchung zu. Gemessen wurden TSH, Gesamt-Thyroxin und freies Thyroxin (gT4 und fT4) sowie Gesamt-Trijodthyronin und freies Trijodothyronin (gT3 and FT3). Auswahlkriterien waren:

  • mehrheitlich fehlende Schilddrüsensymptome
  • einwandfreien Schilddrüsen-Sonografie-Aufnahmen der Probanden.

Beobachtung:

  1. Die Referenzspanne der ausgewählten Personengruppe unterschied sich von der nicht vorselektierten Durchschnittsbevölkerung.
  2. Das Alter und eine hormonelle Verhütung spielte in gleicher Weise in beiden Gruppen eine erwartungsgemäße Rolle.

Die Forscher der Guideline 22 kamen für weitere diesbezügliche Forschungsarbeiten zu der Schlussfolgerung, dass die Auswahl von gesunden Personen für eine sinnvolle Referenzspanne unerlässlich ist. Dafür sollten Ultraschalluntersuchungen der Schilddrüse als Kontrolle hinzugenommen werden.

Faktoren von einer familiären Prädisposition, Alter, Geschlecht, auffällige Sonografie-Befunde, Nachweis von Antikörpern im Schilddrüsenbereich (trotz unauffälliger Werte) und hormonelle Verhütungsmethoden sollten bei der Diagnose und Einschätzung von Schilddrüsenproblemen berücksichtigt werden.

Bei auffälligen TSH-Werten sollten auch andere Untersuchungen erfolgen wie z. B. Cholesterin-Werte, Blutfettwerte, Blutdruck, Knochendichte und Herz-Kreislauf-Funktion. Die Entscheidung, ob ein Patient eine Unterstützung durch ein Schilddrüsenmedikament braucht, sollte individuell in Bezug zur Anamnese der Symptome erfolgen. Dies gilt besonders für junge Herz-Kreislauf-Patienten mit einem TSH-Wert im oberen Bereich der Referenzspanne.

Die Testpersonen für TSH-Normwertermittlungen sollten…

  • keine nachweisbaren Schilddrüsen-Autoantikörper, TPO- oder Tg-Antikörper haben (mittels sensitivem Immunoassay gemessen)
  • keine Symptome einer Schilddrüsen-Dysfunktion in Eigen- und Familienanamnese aufweisen (Sonografie zur Vergewisserung hinzunehmen)
  • keine sicht- oder tastbare Struma (Schilddrüsenvergrößerung)
  • keine Medikamente einnehmen

(Unser Kommentar dazu: Aus unserer Sicht sollten Testprobanden für die Referenzspannenermittlung von TSH und anderen Schilddrüsen-Parametern seit mindestens drei Jahren keine hormonelle Verhütung angewendet haben – egal ob über Implanon, Hormonspirale, Hormonring, Hormonspritze, Pflaster, Pille oder eine Hormonersatz-Therapie in der Postmenopause.)

(Quelle Pub Med: Clin Chem. 2005 Aug; 51(8):1480-6. Epub 2005 Jun 16. Unter der Leitung von Kratzsch J1, Fiedler GM, Leichtle A, Brügel M, Buchbinder S, Otto L, Sabri O, Matthes G, Thiery J.)

Zitate die zum Nachdenken anregen

Der Artikel „Autoimmune Schilddrüsenerkrankungen: Normbereich für TSH zu hoch“ erschien im Deutschem Ärzteblatt. Autorin war Annett Schmidt, Mitarbeiterin im Medizinhistorisches Institut, Bonn. Frau Schmitt kommentiert hier die Folgen einer zu hohen, falschen Festlegung des TSH-Referenzwertes.
„Mit welchen gesundheitlichen Problemen und Einschränkungen ihrer Lebensqualität viele Erkrankte leben müssen, weil immer noch viele Ärzte ihr Leiden auf psychische Ursachen zurückführen und einen TSH bis 4,0 mIU/l als in der Norm liegend und somit nicht als behandlungsbedürftig betrachten, sollte dabei auch bedacht werden.“
Quelle: https://www.aerzteblatt.de/archiv/55131/Autoimmune-Schilddruesenerkrankungen-Normbereich-fuer-TSH-zu-hoch 

„Volkskrankheit Hashimoto-Thyreoiditis“, ein Artikel von
Dr. Volker Schmiedel, erschienen im Naturheilkundlichen Newsletter der Habichtwaldklinik, April 2007.
„…Der Normwert auf den meisten Laborzetteln liegt bei etwa 0,4 – 4,0 mIU/l (kleine Abweichungen sind von Labor zu Labor möglich). Neuere Empfehlungen der Endokrinologen (Fachärzte für Hormone) gehen jedoch dahin, den optimalen Bereich auf 0,5 – 2,0 mIU/l einzugrenzen. Wenn dieser Wert bei Ihnen beispielsweise bei 3,2 liegt, sagt Ihnen Ihr Arzt vermutlich: Wunderbar, alles im grünen Bereich. Tatsächlich kann schon eine Schilddrüsenunterfunktion vorliegen – besonders dann, wenn Sie bereits Symptome einer solchen aufweisen. Dies ist erst seit wenigen Jahren bekannt und es wird wohl noch eine Weile dauern, bis sich diese Erkenntnis flächendeckend durchgesetzt hat. Max Planck merkte hierzu schon kritisch an: Es dauert in der Wissenschaft nicht 30, sondern 60 Jahre, bis eine neue, umstürzende Erkenntnis sich durchsetzt. Es müssen nicht nur die alten Professoren, sondern auch ihre Schüler aussterben. Hoffen wir nur, dass es beim TSH nicht ganz so lange braucht…“

Dr. med. Berndt Rieger warnt Ärzte oder Patienten in seinem Buch „Die Schilddrüse – Balance für Körper und Seele“ davor zu glauben, dass Laborbefunde immer aussagekräftig sind.
„Viele Ärzte glauben, dass es mit der Bestimmung der Hormonwerte im Blut getan ist, denn sie schreiben dieser Untersuchung jene Bedeutung zu, die ihnen von medizinischen Wortführern an Universitäten, in der Pharmaindustrie und Gesundheitspolitik seit Jahrzehnten zugewiesen wird. (…) Sie sollten aber als Therapeut wie auch als Patient nicht den Fehler begehen, aufgrund normaler Werte zu glauben, dass alles in Ordnung ist.“
Mary J. Shomon zitiert in ihrem Buch “Living well with Hypothyrodism“ die Ärztin Donna Hurlock. “But I will give the last word to Dr. Donna Hurlock: (…) We would all do a much better job if we just threw out the almighty TSH and started looking at and listening to our patients again, like docs in the 50´s did (…)” Übersetzung: „Aber ich gebe Frau Dr. Donna Hurlock das letzte Wort: Unsere Arbeit würde sehr davon profitieren, würden wir den ‚allmächtigen‘ TSH in die Tonne schmeißen und dafür wieder mehr den Patienten zuhören, so wie es die Ärzte in den 50er Jahren gemacht haben.“

Dr. Ken Blanchard schreibt in seinem Buch “What your doctor may not tell you about Hypothyroidism”:
„(…)it is my deep belief that the current status of the TSH test (…) will eventually come to be regarded as one of the great mistakes of medical history (…)”
Übersetzung: Es ist meine tiefe Überzeugung, dass die derzeitige Bedeutung vom TSH-Wert später einmal als einer der großen Irrtümer in der Medizingeschichte eingeschätzt wird.

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